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FSRK

Sparen gegen Aufklärung? - Aufklären für einen Richtungswechsel.

„Cäsar schlug die Gallier.
Hatte er nicht wenigstens einen Koch bei sich?
Philipp von Spanien weinte, als seine Flotte
Untergegangen war. Weinte sonst niemand?
[...]
Alle zehn Jahre ein großer Mann.
Wer bezahlte die Spesen?
So viele Berichte,
So viele Fragen.“

„Fragen eines lesenden Arbeiters“, B. Brecht, 1935 im Exil in Dänemark, Svendborger Gedichte.

Liebe Erstsemester,

der schwarz-grüne Senat will gegen Soziales, Bildung, Kultur drastisch die Mittel kürzen. Theater, Museen, Programmkinos, Bibliotheken und Hochschulen haben nicht nur gemeinsam, daß ihre Finanzierung nun in die private Hafenwirtschaft gepumpt wird. Sie haben vor allem das Potential, Wahrheit über die tatsächlichen geschichtlichen und sozialen Zusammenhänge zu erkennen und verbreiten. Der Uni Hamburg sollen – geht es weiter nach der Pfeife der Landesregierung – zwischen 2011 und 2014 jährlich 12 Mio. Euro verloren gehen, dem Studierendenwerk jährlich weitere 11 Mio. Euro. Die „Einsparungen“ treffen auch hier wieder vor allem den sozial bedrängtesten Teil der Studierenden, nämlich – durch die Streichung von Stipendien – die ausländischen Studierenden und durch die Erhöhung der Preise für Mensaessen und Wohnheimplätze viele weitere. Wirklich erforderlich ist eine Erhöhung des Etats der Universität um mindestens 50 Mio. Euro, denn die Studiengebühren müssen abgeschafft, die Studienplätze ausgebaut, die Fächervielfalt und kritische und ungewöhnliche Arbeitsbereiche erhalten bleiben, die Angestellten wären vernünftig zu entlohnen und das Outsourcing der letzten Jahre rückgängig zu machen, damit die Universität wirklich kooperativ wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn für Alle betreiben kann.

Die Hochschulen sind wegen der wachsenden gesellschaftlichen Bedeutung von Bildung und Wissenschaft sehr umkämpft. Daher gibt es hier sogar eigene, beschönigende Worte dafür, wenn sie für Partikularinteressen geschliffen werden, z.B.: „Profilbildung“ und „Excellenz“. Das Kalkül ist einfach: Wer finanziell auf dem letzten Loch pfeift soll empfänglich dafür sein, sich einreden zu lassen, er könne seine Lage dadurch verbessern, daß er sich auf ökonomisch gewünschte und mainstreamige Bereiche konzentriert und dafür das Allgemeinwohl fahren läßt. Es ist dasselbe Kalkül, das den Studiengebühren zu Grunde liegt. Von den Zwölf Million Euro, die hier gekürzt werden sollen, würden allein vier bis fünf aus den Gebühren kommen, indem nun die Verwaltung der Studiengebühren und die Zinsen der Stundung aus der Gebührenzahlung selbst entnommen werden sollen – daß dem bisher nicht so ist, war eine Voraussetzung für die politische Durchsetzbarkeit der fortgesetzten Gebührenerhebung. Ein Grund mehr, sie endlich abzuschaffen.

Das Establishment hat den Bogen kräftig überspannt. Zum Beispiel wurde Hamburgs „Stuttgart-21“, die Verlagerung der Uni in den Hafen, die über 4 Mrd. Euro gekostet hätte, bereits im Sommer diesen Jahres zu Fall gebracht. Über zwei Jahre haben Universitätsmitglieder und Anwohner gekämpft für diese Universität als eine aus der Geschichte lernende, öffentliche und in die Stadt integrierte Einrichtung der Aufklärung für Alle und für bessere Zeiten. Mit 23.000 Unterschriften der Kampagne „Die Uni soll bleiben“ aus Uni und Nachbarschaft sowie Veranstaltungen und Demonstrationen wurde die Einsicht in die humanistische Potentialität der Uni vertieft und verbreitet. Der Senat mußte einlenken und die Pläne für die kostspielige Zerstörung und den kommerzialisierten Neubau im Hafen fallen lassen.

Daß die Uni nun bleibt, zeigt, daß mit pragmatischem und inhumanem Unfug keine Kompromisse gemacht werden müssen. Verbesserungen stehen nun an. Gesellschaftskritische und dafür gebührenfreie, bedarfsdeckend finanzierte Hochschulen mit Studiengängen ohne Leistungs- und Zeitdruck werden unfraglich Teil davon sein. Der wirkliche gesellschaftliche Sinn der Studierenden liegt deshalb nicht zuletzt darin, sich kollektiv, politisch für sozialen Fortschritt und kulturelle Emanzipation engagieren. Wir wünschen Euch einen guten Start in der Uni und uns allen ein bewegungsreiches Semester.

http://www.fsrk.de/artikel_190.html [Stand 11. Oktober 2010]