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Jetzt um so mehr: Aufbau statt Abbau der Universität

„Bei den meisten DAX-Konzernen muß Champagner-Laune herrschen: Die Schwergewichte der deutschen Wirtschaft steigerten ihren Umsatz im ersten Quartal 2011 durchschnittlich um zwölf Prozent. [...] Die 30 DAX-Konzerne erzielten von Januar bis März unterm Strich einen Gewinn von insgesamt 21,5 Milliarden Euro – das entsprach mit Blick auf die Gesamtsumme im Vorjahr einem Plus von 23 Prozent.“

Hamburger Abendblatt, „DAX-Konzerne verdienen im ersten Quartal 21,5 Mrd. Euro“, 14.5.2011, S. 7.

Dem kapitalfreundlichen Dogma der „Haushaltskonsolidierung“ verfallen, hat der neu gewählte SPD-Senat verkündet, an den staatlichen Hamburger Hochschulen rund 32 Mio. € kürzen zu wollen. (Ob der Einzug ins Rathaus mit akutem Gedächtnisverlust bestraft wird?) Weil die Regierung schlicht den schwarz-grünen Kürzungshaushalt übernommen hat und die Schraube zudem weiter anziehen will, soll die Universität schon im Jahr 2011 rund 20 Mio. € streichen.
Die Krise der öffentlichen Hand hat zwei Gründe: 1.) Die Steuern auf größte Vermögen und Gewinne sind seit 1982 systematisch gesenkt bzw. abgeschafft worden. 2.) Die verbleibenden Steuern werden insbesondere bei den Gewinngroßen nur zögerlich eingetrieben.
Die praktische Alternative zu dieser Gängelung der Bevölkerung ist die steuerliche Umverteilung des gesellschaftlich erarbeiteten Reichtums von Oben nach Unten sowie die Vermeidung von destruktiven Verschwendungen (von der Elbphilharmonie, die jährlich 30 Mio. € Betriebskosten verursachen soll, bis zu Rüstungsausgaben der BRD in Höhe von rund 50 Mrd. $ p.a.). Diese Umkehr zu erkämpfen ist die aktuelle Aufgabe aller Mitglieder der Universität.

Würden die Kürzungsankündigungen durchgezockt, müßte jede Fakultät auf etwa 10 % ihres Etats verzichten. Die Dekane rechneten jüngst vor, was dies bedeuten könnte: Das Kürzungsvolumen entspräche in der Fakultät für Geisteswissenschaften dem gesamten Fachbereich Sprache/Literatur/Medien, in der MIN-Fakultät müßte man bis 2013 auf Neuberufungen verzichten und Chemie und Biologie halbieren, die WiSo-Fakultät sähe sich unter dem Druck, die Sozialökonomie (Ex-HWP) zu vernichten, die Juristen könnten ihre Zentralbibliothek dicht machen derweil das UKE auf Zahnmedizin (wird ja ohnehin nicht mehr von den Kassen bezahlt) verzichten müßte. Rund 3.000 Studienplätze wären bis zum WiSe 2012/13 von der Universität abzubauen – in Zeiten doppelter Abi-Jahrgänge und ausgesetzter Wehrpflicht.
Diese Rechnungen sind gegen jegliches Arrangement darauf gerichtet, die Notwendigkeit des Kampfes für eine echte Tendenzwende zu verdeutlichen. (Vgl. Beschluß des Akademischen Senats „Anforderungen an den politischen Senat: http://www.verwaltung.uni-hamburg.de/pr/2/21/pm/2011/pm39.html)

Das Uni-Präsidium hat erklärt, sich möglicherweise gezwungen zu sehen, das Allgemeine Vorlesungswesen einzustellen, mit dem in Hamburg seit 1837 eine demokratische Öffentlichkeit Zugang zu wissenschaftlicher Aufklärung erhält. Die Abwicklung dieser Quelle der Universität, für die vor genau 100 Jahren das Hauptgebäude (Edmund-Siemers-Allee 1) errichtet wurde, würde die ängstliche Mißgunst gegen kritische Bildung und demokratische Wissenschaft durch das Hamburger Establishment erneut manifestieren.
Aber die meisten Hamburger sind nüchterne Leute, die schon manches Mal dem baren Geschäftssinn mit Aufklärung und solidarischem Engagement für sozialen Fortschritt einen Strich durch die zynische Rechnung gemacht haben. Dafür ist es nun wieder dringend Zeit. Gebührenfreiheit, die Rekonstruktion der Fächervielfalt, bedarfsgerechte Bildungs- und Wissenschaftsfinanzierung, weitreichende Studienreformen, vernünftige Bibliotheken, angenehm nützliche Bauten, demokratische Strukturen und damit Bedingungen für eine humanistische Wissenschaftsentwicklung müssen alle Mitglieder der Universität gemeinsam erkämpfen.

Auch ein neuer AStA muß diese Tendenz vorbehaltlos befördern.

http://www.fsrk.de/artikel_217.html [Stand 16. Mai 2011]


Jetzt um so mehr: Aufbau statt Abbau der Universität