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FSRK

Rede der FSRK

auf der Demonstration „Weltoffen statt betriebswirtschaftlich: Für ein neues Hochschulgesetz“ am 15. Mai 2014

Liebe Mitstreiter

genau dort, wo am 15. Mai 1933 faschistische Studentenorganisationen und Burschenschaftler Bücher verbrannten finden sich heute wie jedes Jahr Menschen zusammen um aus den verbrannten Büchern zu lesen. Es wird an die Verbrechen der Nazis erinnert, und kollektiv zum Ausdruck gebracht: „Nie wieder Krieg – nie wieder Faschismus!“. Für den Versuch, alle Menschen der autoritären und menschenverachtenden faschistischen Diktatur unterzuordnen, sollte alles Kritische und Progressive aus den Hochschulen als Schoß der Aufklärung, entfernt werden. In den Werken und im Wirken der verfolgten Intellektuellen wurde lebensbejahender Humanismus, bisweilen militanter Pazifismus und weltoffener Internationalismus lebendig zum Ausdruck gebracht. Der Geist der Aufklärung und der Emanzipation sollte jedoch vernichtet werden, da dieser Geist die wissenschaftliche und kulturelle Gegnerschaft zu jeglicher Barbarei ist.

Doch die Vernunft konnte nicht zerstört werden und die Vernünftigen gewannen wieder die Oberhand. Im August 1945, nach dem Sieg über den Faschismus wurde daher auf der Potsdamer Konferenz von der Sowjetunion, dem Vereinigten Königreich und den Vereinigten Staaten Schlußfolgerungen aus der Katastrophe gezogen, die eine Wiederholung unmöglich machen sollte. Im Protokoll der Konferenz wurde festgehalten:

„Das Erziehungswesen in Deutschland muß so überwacht werden, daß die nazistischen und militaristischen Lehren völlig entfernt werden und eine erfolgreiche Entwicklung der demokratischen Ideen möglich gemacht wird.“

Auch zu diesem Zweck wurde 1948 vom britischen Militärgouverneur ein „Studienausschuß für Hochschulreform“ berufen, um ein Gutachten über die Notwendigkeit und Möglichkeit einer Reform der autoritären Ordinarienuniversität zu erstellen. Im sogenannten ‚Blauen Gutachten‘ wird an zwei Defiziten der damaligen Verfaßtheit der Hochschulen die Notwendigkeit einer Reform deutlich gemacht:

Erstens war die soziale Öffnung der Hochschulen nicht auf Höhe der Zeit realisiert; die gesellschaftlichen Herausforderungen zu lösen, konnte nicht von wenigen Führern oder Managern übernommen werden. Der Untertanengeist, der jüngst in den Faschismus führte, mußte für eine erfolgreiche Entwicklung demokratischer Ideen überwunden werden. Dafür sollte breiteren Bevölkerungsschichten ein Bewußtsein ihrer Geschichtsmächtigkeit geschaffen und eine wissenschaftliche Lebensweise verallgemeinert werden.

Zweitens wurde problematisiert, dass die Universitäten zu einem Konglomerat von Fachhochschulen würden, wenn sie nicht den Menschen, sondern nur spezialisierten Intellekt ausbildeten. Die Bildung mündiger Menschen bleibt jedoch die Voraussetzung für den Kampf gegen die Gefahr der Selbstzerstörung des technischen Zeitalters. Darüber hinaus kann nur so der Kampf um den vollen Zugang zu den geistigen und materiellen Gütern der Zivilisation positiv entschieden werden.

Die notwendige institutionelle Reform wird von den Gutachtern mit der Herstellung eines Kanal- und Schleusensystems verglichen:

„Kanäle sind nutzlos, wenn das Wasser fehlt, das durch sie strömen soll, ist das Wasser aber da, so verwandeln die richtig angelegten Kanäle seine Kraft von einer zerstörenden in eine aufbauende.“

Wasser gibt es in Hamburg reichlich. Mit den Kämpfen der 68’er-Bewegung wurde begonnen den autoritären Muff unter den Talaren, in den Amtsstuben und in den Köpfen vieler Menschen zu lüften. Mit dem Hochschulgesetz von 1969 wurden Kanäle und Schleusen geschaffen, die die Öffnung und Demokratisierung der Hochschulen weit voran brachten. Die kulturelle Befreiung aus dem Mief vorheriger Jahrzehnte erweiterte die Möglichkeiten der wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung für alle zum Besseren.

Der Widerspruch zwischen allgemeiner Menschenbildung und der Herstellung von spezialisierten Arbeitskräften konnte immer noch nicht aufgehoben werden. Heute auf der Tagesordnung steht, die CDU-FDP-Schill-Gesetzgebung von 2003 zurückzunehmen, die inhaltlich darauf gerichtet ist, eine marktkonforme Ausbildung zum Gehorsam zu erzielen, statt die Hochschulen allein der Wahrheit und der Bildung mündiger Menschen zu verpflichten. Noch heute haben wir mit einem Gesetzentwurf zu tun, der die positiven Errungenschaften der sechziger und siebziger Jahre nicht hinreichend zur Geltung bringt.

„Wofür arbeitet ihr?“

läßt Bertholt Brecht den Galilei seinen Schüler fragen. Eine Frage von hoher Aktualität. Galilei, im Drama so wie als historische Persönlichkeit beantwortet sie vom Standpunkt des humanistischen Wissenschaftlers:

„Ich halte dafür, dass das einzige Ziel der Wissenschaft darin besteht, die Mühseligkeit der menschlichen Existenz zu erleichtern.“

Angesichts dessen, dass er jedoch seine wegweisenden Thesen auf Druck des Papstes hin widerrufen mußte fährt er fort:

„Wie es nun steht, ist höchste, was man erhoffen kann, ein Geschlecht erfinderischer Zwerge, die für alles gemietet werden können.“

Wir sind in diesem Widerspruch heute weiter fortgeschritten. Opunkt Scholz mag ein Knecht der Handelskammer und Vollstrecker neoliberaler Stadtpolitik sein, aber der Papst ist er nicht. Niemand benötigt erfinderische Mietzwerge und es ist unwürdig die Mitglieder der Hochschulen zu solchen degradieren zu wollen. Stattdessen wollen sich die Subjekte der Wissenschaft, alle Mitgliedergruppen der Hochschule, erklärtermaßen wieder den großen Fragen unserer Zeit widmen.

Wie verhindern wir eine militärische Eskalation in der Ukraine? Warum haben Banken Geld und Hochschulen nicht?

Die Enge der unternehmerischen Hochschule muß verlassen und die Schuldenbremse gelöst werden!

Heute werden die Mitglieder des Wissenschaftsausschusses die bisher geäußerte Kritik am vorgelegten Hochschulgesetzentwurf auswerten. Sie werden beraten müssen, welchen Beitrag sie dazu leisten, den Hochschulmitgliedern erweitert zu ermöglichen zu einer zivilen Entwicklung der Menschheit beizutragen. Mit dieser Demonstration erinnern wir noch einmal nachdrücklich daran, dass die Hochschulmitglieder in Stellungnahmen und an jedem Punkt des Beteiligungsverfahrens eindeutig und gründlich argumentiert haben. Für eine sozial offene, demokratisch verfasste Hochschule. Für eine emanzipatorische Bildung durch Wissenschaft. Für Friedensforschung als Leitmotiv.

Der in den Hochschulen bereits begonnene, notwendige Bruch mit der betriebswirtschaftlichen Zurichtung der Bildungseinrichtungen ist dringend erforderlich. Er muss noch gesetzlich vollzogen werden. Hinaus aus der Enge!

http://www.fsrk.de/artikel_329.html [Stand 15. Mai 2014]