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dokumentiert

Aufruf des Akademischen Senats zum freudigen Gedenken zum 75. Jahrestag der Befreiung

Aus der Geschichte lernen!

„Ich fordere: Der 8. Mai muss ein Feiertag werden! Ein Tag, an dem die Befreiung der Menschheit vom NS-Regime gefeiert werden kann. Das ist überfällig seit sieben Jahrzehnten. Und hilft vielleicht, endlich zu begreifen, dass der 8. Mai 1945 der Tag der Befreiung war, der Niederschlagung des NS-Regimes. Wie viele andere aus den Konzentrationslagern wurde auch ich auf den Todesmarsch getrieben. Erst Anfang Mai wurden wir von amerikanischen und russischen Soldaten befreit. Am 8. Mai wäre dann Gelegenheit, über die großen Hoffnungen der Menschheit nachzudenken: Über Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – und Schwesterlichkeit.“

Esther Bejarano in einem offenen Brief an die Regierenden und alle Menschen, die aus der Geschichte lernen wollen, erstellt am 26. Januar 2020.

Die Universität begeht den 75. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus öffentlich als einen Feiertag. Die historische Zäsur von 1945 bewirkten weltweit zahlreiche Menschen mit Humanität, Courage, Aufklärung und Solidarität. In diesem Moment liegt die Geburtsstunde der modernen Menschenrechte und - uneingelöster - Hoffnungen auf ein global friedliches, gerechtes und demokratisches Zusammenleben.

„Freiheit, Gleichheit, Solidarität“ ist die Trias, für deren Verwirklichung sich ein internationales Bündnis aus Antifaschistinnen und Antifaschisten der Diktatur des Unrechts und dem Krieg entgegenstellten. Durch sie geeint konnten die Frauen und Männer der Résistance der scheinbaren Übermacht die Stirn bieten. Sie begründete die Hoffnung auf eine Welt des Friedens und der Freiheit, die nicht nur den Gefangenen und Gefolterten in den Konzentrationslagern Kraft und den Mut zum Widerstand verliehen hat. Mit der Ambition, dass die hässliche Fratze des Faschismus nicht triumphiert, leisteten Kulturschaffende, Künstler*innen, Dichter*innen, Schriftsteller*innen und Literat*innen Widerstand. Meist im Exil konnten sie das Erbe der Menschheit in seiner Ästhetik bewahren und weiterentwickeln. Dieses Erbe lebte in den aufklärerischen Taten der Weißen Rose und der lebensbefürwortenden Kultur der Swing-Jugend.

Es war die Überzeugung von der unteilbaren menschlichen Würde, die Unzählige zu alltäglichen, kleinen, großen und stets bedeutsamen Gesten der Solidarität bewegt hat. Dass die Menschen im Bewusstsein des universalen Rechts der Menschenwürde jedes Elend überwinden werden, konnte der Vernichtungsfeldzug der Nazis in gemeinsamer Anstrengung gestoppt werden.

Die geistige Produktivität, internationale Zusammenarbeit und kreative Fülle von Philosophie, Künsten, Wissenschaften und sozialer Politik in demokratischer Bewegung ist damals wie heute ein praktisches „Nie wieder!“. Damit tragen Menschen kontinuierlich zur Befreiung von jeder Barbarei und zur humanen Veränderung in der Welt bei.

In diesem Verständnis erinnert die Universität Hamburg an die Opfer der Nazi-Verbrechen und an die gelungene Überwindung der systematischen Grausamkeit. Sie wendet sich gegen jede Ab- oder Umkehr in der Erinnerung. Die Mitglieder der Universität sind aufgerufen an diesem Tag Studium, Lehre und Forschung diesem Jahrestag zu widmen. Die Universität bekräftigt so ihr Engagement für humanistische Bildung und Wissenschaft, soziale Offenheit der Hochschulen und ihre demokratische Verfasstheit: Für eine Welt, die von der Menschheit auf Dauer friedlich und solidarisch bewohnt wird.

Auf einem „Weg des Widerstands“ will die Universität an denkwürdigen Orten auf dem Campus, zwischen „Carl-von-Ossietzky-Bibliothek“ und „Joseph-Carlebach-Platz“ auch ihrer eigenen, widersprüchlichen Geschichte und der daraus erwachsenden Verantwortung nachgehen und gemeinsam mit der Stadtgesellschaft mit Infoständen, sowie mit Veranstaltungen zum Diskutieren, Gedenken und Handeln einladen.

Beschlossen im höchsten demokratischen Gremium der Uni Hamburg, dem Akademischen Senat, am 23.04.2020.

http://www.fsrk.de/artikel_393.html [Stand 6. Mai 2020]